10 Jahre russland.TV: Erfolg im harten Rahmen [mit Video-Classics]

[Reportage von Roland Bathon] Wir schreiben das Jahr 2007 – Webvideos waren noch kaum bekannt. Ein einzelner Redakteur der Onlinezeitung russland.RU begann eine feste Videoabteilung aus dem Boden zu stampfen. 10 Jahre später haben wir trotz mehrfachen heftigen Gegenwinds und ungünstiger Rahmenbedingungen den führenden unabhängigen Russland-Newschannel auf deutsch bei YouTube. Wir nutzen das Jubiläum für einen kleinen Artikel über die wichtigsten Meilensteine auf einem steinigen Weg.

Gründung ohne YouTube

russland.RU erkannte die Zeichen der Zeit immer früh – bis 1996 reichen die Wurzeln der Onlinezeitung zurück, seit 1999 gibt es tagesaktuelle News von uns. Auch im Bereich Webvideo wurde schon 2001 das erste Experiment unternommen – eine Live-Übertragung des Petersburger Dialogs in Briefmarkengröße – angepasst auf die langsamen Internetverbindungen der damaligen Zeit. Weitere Testläufe folgten. Mitte des letzten Jahrzehnts war es dem Herausgeber Gunnar Jütte dann klar, dass der nächste Zug im Massengeschäft in Richtung Webvideos fahren wird und so stieß 2007 Roland Bathon – zuvor Autor von Russlandbüchern und Schnitt-erfahren durch einige Reise-Kurzvideos – zum Team der Onlinezeitung, der sich um den Aufbau eines solchen Bereichs kümmern sollte.

(Der allererste Beitrag von russland.TV 2007: Kurort-Business bei Kasachstan)

Doch auch das Team von russland.RU ist nicht frei von Fehlentscheidungen. Eine war, zunächst auf einen eigenen Videoserver und MyVideo.de zu setzen, den damaligen großen Konkurrenten von YouTube, der zu dieser Zeit auch mit besseren Bedingungen lockte. Erst ab 2010 wurden die Videos überhaupt auf einem YouTube-Channel zeitversetzt zweitveröffentlicht und alle Pfade innerhalb unserer Onlinezeitung führten zunächst weiterhin zu unserem eigenen Webspace und MyVideo.

Hits zu Beginn: Sport und Kochrezepte

In der Frühzeit von russland.TV war die Welt gerade im Bezug auf Deutschland und Russland eine andere. Das Verhältnis zwischen den Staaten war ein wesentlich besseres, die Russlandinteressierten waren eher Individualreisende und schwerpunktmäßig noch gar keine Suchenden nach aktuellen News – im Aufbau befindlich war es für uns als kleiner Anbieter auch schwer, tagesaktuell das News-Geschehen mit Videobeiträgen zu verfolgen. So hatten in den ersten Jahren vor allem Clips zu Russlandreisen, Kulturevents oder russische Kochrezepte Erfolg, die ersten Nachrichtenvideos gab es 2008 zur Gaskrise zwischen Russland und der Ukraine. Bei News waren wir mit unserem damaligen Mini-Team auch stark auf externe Zulieferer von Bildmaterial angewiesen, angesichts fehlender finanzieller Mittel war jeder Bericht in dieser Beziehung ein echter Kampf.

(Ein erfolgreicher Sportclip von 2013 über die Sportgymnastik-Weltmeisterin Jana Kudrjawzewa; in einem späteren Beitrag hat Ariana sie auch interviewt)

Etwa später ab 2010 entdeckten wir den Sport für uns – alle Sportarten stießen auf großes Zuschauerinteresse, in denen Russland international erfolgreich ist. Realisieren ließen sich aktuelle Beiträge interessanterweise vor allem bei Disziplinen, an denen mehrheitlich Frauen interessiert sind, wie Sportgymnastik, Eiskunstlauf oder Turnen, weil im Eishockey oder Fußball die großen Player über Lizenzvergaben den Markt fest im Griff haben. Das ist die Erklärung, warum bis heute die Sportclips mit Ariana gerade aus diesen Bereichen kommen. Sie sind ein Überbleibsel unserer „sportlichen Phase“, in der es zeitweise so ausschaute, als wäre dieser Bereich das Hauptstandbein unserer Zukunft.

Die ersten Stolpersteine

Wir lernten spezialisierte Experten und Fotografen kennen, mit denen wir bis heute super kooperieren. Weniger einfach ist – die erste widrige Rahmenbedingung – die Zusammenarbeit mit den internationalen Sportfunktionären und so manche Diskussion mit Spitzenverbänden um Akkreditierungen und Dreherlaubnisse gingen Berichten von uns voraus. Ja, es ist einfacher, zu einer Pressekonferenz von Putin rein zu kommen, als zu manchem internationalen Sportevent. Selbst bei diesen kleineren Sportarten geht nach unserem Eindruck der Funktionärsriege der Kommerz schon vor den Willen zur Verbreitung der Sportnachrichten an das jüngere Publikum, aus dem der Nachwuchs kommen soll.

2013 war russland.TV zusammen mit russland.RU in einer tiefen Krise, obwohl wir zuvor noch die offizielle Pressearbeit für das Partnerland Russland bei der damaligen Hannovermesse übernommen hatten. Ein wichtiger potentieller Investor löste sich in Schall und Rauch auf, Schulden existierten, die Zugriffszahlen waren nicht überragend, unsere Stellung in den immer wichtigeren Sozialen Netzwerken noch schmal. Im Videobereich wirkte sich die Fehlentscheidung aus, nicht auf YouTube zu setzen – dennoch hatten die zweitveröffentlichten Videos dort mittlerweile mehr Zuschauer, als auf unserem eigenen Angebot. MyVideo.de war kurz vor dem Exitus.

Der Umbruch – alles zu YouTube

So kam es zu einem radikalen Umsteuern. Mit einem neuen Portal ging auch bei russland.TV eine neue Philosophie an den Start. Videos wurden und werden ausschließlich bei YouTube gehostet, wir wurden Mitglied in einem Netzwerk für News-, Bildungs- und Wissenschaftskanäle (TIN von Mediakraft) und unser Angebot für die Zielgruppe YouTube optimiert. Es gab die ersten Experimente mit moderierten Videos, die bald ein fester Bestandteil in unserem Programm wurden – ab 2014 waren Anna Nikonova und Anna Gamburg bei uns hierfür fest im Videoteam, Anna Nikonova ist es bis heute.

(Arschkarte für Russlandfreunde – ein früher Clip von Anna Nikonova von 2014)

Die Olympiade in Sotschi, die Konflikte auf der Krim und im Donbass konnten wir mit sehr erfolgreichen Clips begleiten. Russland geriet unter schweren Beschuss und eine russische, jedoch unabhängige Stimme war gefragter denn je – unser Schwerpunkt verlagerte sich unmittelbar nach der Olympiade ganz auf den Newsbereich, unsere Viewszahlen auf YouTube stiegen 2014 gegenüber 2013 um 25 %, unser dortiger Abonnentenzuwachs durch die Konzentration auf YouTube auf mehr als das Dreifache. Auch mit der übrigen Onlinezeitung ging es wieder bergauf, neue Unterstützer wurden gefunden, neue Leute stießen zum Team, in den Sozialen Netzwerken tat sich etwas. Währenddessen verfinsterte sich um uns herum das deutsche Russlandbild und selbst wir wurden das Ziel einer versuchten Diffamierung von n-tv.

2015: Der Laden brummt

2015 gewann der Aufstieg von russland.TV noch an Geschwindigkeit, es bewährten sich vor allen regelmäßige Formate mit festen Moderatorinnen und Themenbereichen an festen Tagen, wie Anna Nikonova´s Russland.life (damals „News mit Anna“) am Freitag und Russland.direct, unsere etwas tiefer gehende News- und Hintergrundsendung erst mit Anna Gamburg, dann mit Julia Dudnik am Sonntag. Ein zweiter Service hatte einen entscheidenden Anteil: Putinreden auf deutsch, die man umkommentiert so meist nur bei uns bekam. Schon länger im Angebot hatten wir hier zuvor die Neujahrsansprachen (schon unter Medwedew), die unabhängig vom Amtsinhaber in Russland eine wichtige Rolle spielen – eine Ausweitung auf andere zentrale Reden wurde mit riesigem Erfolg angenommen – hier haben wir mittlerweile unsere ersten beiden Clips, die bei YouTube über eine Million mal aufgerufen wurden.

(2015: Ann Kotschewa erklärt Flirt-Vokabeln auf Russisch)

Auch die Anzahl der Gesamtviews unseres YouTube-Channels konnten sich 2015 mehr als verdoppeln, bei den Abonnenten nahmen wir endlich die wichtigen 10.000er und 15.000er Marke, die in der YouTuber-Szene wichtige Meilensteine sind. Als Newschannel sind sie dabei wesentlich schwerer zu knacken, als etwa für Comedians, Gamer oder Beauty-Gurus die von Interessierten viel schneller abonniert werden. Auch eine eher witzig aufgelegte Russischreihe mit der Moderatorin Anna Kotschewa konnten wir ins Leben rufen, die seitdem Monat für Monat neue Zuschauerbestmarken feiert.

Verschlechterung der Rahmenbedingungen für News-Videos

Doch am Horizont zogen trotz unseres steigenden Erfolgs schon wieder die nächsten dunklen Wolken herauf. Mehrere andere große Newskanäle bei YouTube mussten 2015 und 2016 die Segel streichen, da allzu ernsthaftes dort gegenüber dem üblichen Unterhaltungsbrei einen schweren Stand hatte. So beispielsweise die preisgekrönten Jugendnachrichten von „Was geht ab?“. Damit nicht genug. In der zweiten Hälfte 2016 gab es bei YouTube zwei große Veränderungen, die generell unabhängige Nachrichten auf der Plattform in Frage stellten.

Es gab zum einen eine Änderung des Algorhithmus, mit dem die „Videovorschläge“ – die wichtige Quelle für Neuabonnenten bei YouTube – radikal umgestellt wurde, zugunsten neuer Channels und zu Lasten eingesessener Angebote. Bereits das traf uns bei den Putinreden auf deutsch, die über die Hälfte ihrer Zuschauer verloren. Zum anderen – und das war finanziell noch viel zentraler – wurde eine Google-Richtlinien zur „Werbefreundlichkeit“ von Clips geschaffen. „Werbeunfreundliche“ Videos konnten, auch wenn sie sich schön an alle andere Spielregeln hielten, einfach nicht mehr monetarisiert werden – Null Euro Werbeeinnahmen waren die Folge.

Der Bot des finanziellen Todes

Auch uns trafen diese beiden Änderungen und sorgten für einen Verfall unserer Einnahmen für die Clips – trotz stabiler Zuschauerzahl für unsere Formate. „Werbefreundlichkeit“ konnte von YouTube nämlich schon verweigert werden, wenn ein Clip nur um sogenannte „kontroverse Themen“ geht – und bei News sind natürlich kontroverse Themen viel häufiger als bei einem, der in seinem Wohnzimmer Witze reißt.

Das Fachmagazin Broadmark fragte 2016 zurecht „Wie soll vernünftig über aktuelle Nachrichten gesprochen werden, wenn bereits das einfache Reden über ein sensibles Thema dazu führt, dass das Video seine Monetarisierung verliert?“.  Ernste und wichtige Themen werden in der Werberichtlinie dabei faktisch mit Gewalt oder Schlüpfrigem gleich gestellt und der ohnehin bestehende Wettbewerbsnachteil von ernsten Channels gegenüber harmlosen Quatschmachern verstärkt.

(Nach Meinung von Google „werbeunfreundlich“ – Anna Smirnowa´s Tipps zum Überleben in Massenpaniken von 2017)

Die Entscheidung, was „werbefreundlich“ ist, trifft dabei zunächst ein Bot, also nicht einmal ein Mensch und wirft einfach alle möglichen Videos aus der Schaltung von Werbung. Bei uns kam es hierdurch im Februar 2017 so zu einer vorübergehenden Demonetarisierung aller bis dahin 1.700 Clips bei YouTube – wahrscheinlich hatten wir für den Geschmack des Bots zu viele kontroverse Themen und so warf er sogar alle Beiträge zu Sport, Reisen oder Kochrezepten pauschal heraus.

Donbass, Syrien oder anderes Böses ist werbeunfreundlich

Wir legten gegen all diese Entscheidungen einzeln Einspruch ein – nach Auskunft unseres Netzwerks die einzige mögliche Reaktion. YouTube schwieg beharrlich auf alle Anfragen. Das hatte den Erfolg, dass nach und nach unsere Clips daraufhin von irgendwelchen uns unbekannten Leuten im riesigen Google-Konzern noch einmal gesichtet wurden, also immerhin „Menschen“. Die meisten wurden daraufhin wieder für Werbung  frei geschaltet, nicht jedoch News-Beiträge zu Themen wie Syrien, Donbass oder Terroranschlägen, obwohl sie keine Gewaltszenen enthielten.

War diese Entscheidung einmal getroffen, war ein weiterer Protest bei YouTube gar nicht mehr möglich und wir erhielten einfach kein Geld für Werbung für diese Clips. Nur  durch eine zusätzliche Finanzspritze aus den knappen Mitteln unserer Onlinezeitung – seit 2016 russland.NEWS genannt – ging der Betrieb wie gewohnt weiter und der Channel steuert trotz der Widrigkeiten aktuell auf 25.000 Abonnenten und 15 Millionen Views zu. Seit dem Kampf im Februar steigen auch die Zuschauer- und Neuabonnentenzahlen wieder.

Die YouTube-Rückkehr der alten Medienriesen

Parallel dazu ging noch etwas Größeres bei YouTube vonstatten: Der Vormarsch derer, die man noch 2013 im Niedergang wegen der Webvideos wähnte: Die klassischen Medienkonzerne wie RTL, Pro7Sat1 oder auch die ARD. Riesige Mengen an Kapital wurden in den Aufbau einer eigenen Onlinewelt der Mainstreamer gepumpt und so gehören heute die größten YouTuber-Netzwerke genau denen, die den Medienmarkt auch vor dem YouTube-Boom beherrscht hatten. Bei der ARD ging das sogar auf kosten der deutschen Gebührenzahler – und Qualität wurde in den neuen Channels weder auf Gebühren- noch auf Kapitalismusbasis häufig geboten. Aber  unsere Mitbewerber im Netz waren plötzlich wieder Leute, die uns an Ausrüstung und Infrastruktur wesentlich überlegen waren.

Manch YouTuber reagierte darauf, indem er – vorher vielleicht noch der große Establishment-Kritisierer im Journalismus – aktiv auf die großen Player zu ging und sich seitdem von ihnen vereinnahmen lässt. Ein prominentes Beispiel ist Thilo Jung, noch bis 2016 der böse Journalistenschreck (2015: „Die ARD schwimmt im Geld“) auf der Bundespressekonferenz, inzwischen Mitwirkender bei ARD-Reportagen und offenbar im Gespräch für ein festes Format im Staatskonzern. Staatsabhängig, weil über die Organisation ANO TV aus Steuermitteln über Beschlüsse der Duma finanziert ist natürlich auch die selbst betitelte Alternative RTdeutsch. Sie ist ausgestattet mit einem Studio am Potsdamer Platz und unseres Wissens 10 Hauptberuflern. Nicht mit drei Nebenberuflern als Redakteuren, wie russland.TV als Abteilung von russland.NEWS.

Ungewisse Zukunft – aber Hilfe ist möglich

So ist die Zukunft finanziell wieder einmal ungewiss, wir kämpfen mit der Gewinnung von Product Placements oder neuen Unterstützern, weil nun einmal eine andersartige Finanzierung von Webvideos, die man nicht komplett im eigenen Wohnzimmer machen kann, nicht geht. Denn Werbung und Spenden sind unsere Quellen, aus denen wir unsere Berichte machen – und die herkömmlichen Werbewege gehen zurück oder konzentrieren sich immer mehr zunehmend auf das Großkapital.

(Julia Dudnik recherchiert 2016 in Moskau einer viel abgeschriebenen ARD-Meldung nach)

All unsere Mitstreiter, seit 2015 ist Anna Smirnowa, seit 2016 Julia Dudnik als Videoredakteurinnen dabei, arbeiten weit unter dem Marktpreis, aber wesentlich über dem Marktniveau der Berichterstattung über Russland auf deutsch. Beide machen das auch aus Sympathie für das einzigartige Projekt eines unabhängigen deutsch-russischen Web-TV, das eine echte Brücke zwischen diesen beiden Ländern ist und in dem nicht zählt, wer woher kommt. Wir kennen keine vergleichbaren Einrichtungen, in der Leute aus beiden Staaten so intensiv und eng über das Web zusammen arbeiten ohne jede Trennlinie. Das wird uns weiter antreiben, so lange uns die Riesen aus Politik, Medien und Internet uns lassen.

Wer uns gegen unsere übermächtige Konkurrenz unterstützen will, es gibt zwei Möglichkeiten:

Spenden können an den gemeinnützigen Verein zur Förderung der deutsch-russischen Medienzusammenarbeit geleistet werden, der eben jene Aufgabe hat, nach der er benannt ist; hier sind viele unserer Redakteure aktiv und hier realisieren wir Projekte zwischen Deutschland und Russland, die es sonst nicht gäbe – Spendenkonto: Verein zur Förderung der deutsch-russischen Medienzusammenarbeit e.V., Wirecard Bank, Kontonummer: 120694, Bankleitzahl: 512 308 00, IBAN: DE33 5123 0800 0000 1206 94, BIC: WIREDEMMXXX, mehr auf der Vereinshomepage www.deutsch-russisch.media

Wer ein Unternehmen hat: Wir bieten Product Placements in unseren unterschiedlichen Formaten an; bei uns bekommt Ihr Produkt oder Ihr Unternehmen nicht nur ein Gesicht – sondern auch eine Sympathieträgerin mit Grips – das kann nicht jeder YouTube-Channel bieten. Wer sehen will, wie das ausschaut – bei Anna Kotschewa haben wir ein solches Placement schon realisiert – die Sendungen von Julia Dudnik, Anna Nikonova oder Anna Smirnowa wären noch zu haben. Oder man sichert sich für das eigene Unternehmen eine riesige Verbreitung durch ein Placement in den Putinreden auf deutsch – hier haben wir schon zwei Millionenvideos und können attraktive Views-Zahlen vorweisen – all das zu einem Bruchteil des Marktpreises; wer hier nähere Infos möchte – einfach Email an gunnar.juette@russland.news – unsere Placement-Partner sind Chefsache.

Anmerkung: In einer früheren Version des Artikels stand, RT wäre eine Tochter von Rossija Segonija; wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen

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